Buchtipp: Projektmitarbeiter – die Nomaden einer veränderten Arbeitswelt
Ein Interview mit der Wirtschaftsinformatikerin Doris Weßels über Chancen und Risiken der vernetzten Projektarbeit von morgen.
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Frau Professor Weßels, Sie sind als Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel tätig und erforschen, wie wachsende Vernetzung die Arbeitswelt verändert. Welchen fundamentalen Wandel beobachten Sie – mit welchen Folgen?
Doris Weßels: Das Internet als »Netz der Netze« hat unsere private und berufliche Welt seit der Jahrtausendwende gravierend verändert. Jeder von uns erlebt fast tagtäglich, dass die technologisch getriebene Veränderungsdynamik in allen Lebensbereichen rasant zunimmt. Der Wandel ist in der Tat fundamental: Er erhebt sich zum Gestaltungsmerkmal unserer Zeit. Aus den festangestellten Mitarbeitern werden temporär beschäftigte Projektmitarbeiter, die wie »Nomaden« von einem Projekt zum nächsten ziehen. Unternehmen öffnen sich und werden Teil eines interorganisatorischen Netzwerks.
Also wird Projektarbeit immer wichtiger. Beobachter sprechen heute schon von einem Trend zur Projektwirtschaft. Ist das übertrieben?
Doris Weßels: Das ist keine Übertreibung – ganz im Gegenteil. Die weltweit wachsende Bedeutung von Projekten kann auch historisch eindeutig belegt werden. Ausgehend von den Anfängen in den 40er Jahren in militärischen Anwendungsbereichen in den USA durchdringt die Organisationsform »Projekt« nun zunehmend alle Wirtschaftssektoren.
Wie macht sich das bemerkbar?
Doris Weßels: Ob in Schulen, Hochschulen, in privatwirtschaftlichen oder öffentlichen Organisationen, überall begegnet uns der Projektbegriff. Gerade in den Organisationen zeigt sich, dass bei der Mitwirkung in einem Projekt – verstanden als ein »Unternehmen auf Zeit« – immer mehr unternehmerische Verantwortung auf den Mitarbeiter verlagert wird. In dem Sinne werden zunehmen mehr Mitarbeiter zu kleinen oder auch großen Projektleitern.
Als Hochschullehrerin erleben Sie auch die Besonderheiten der Generation Y. Ist diese Generation durch ihren Umgang mit neuen Medien im Begriff, die Arbeitswelt neu zu definieren?
Doris Weßels: Die Vertreter der Generation Y sind in der Tat sehr technikaffin und in ihren sozialen Netzwerken quasi »always on«. Die gut qualifizierten GenY-Vertreter genießen die Dynamik der täglich neuen Projektherausforderungen am Arbeitsplatz, fordern aber gleichzeitig auch mit viel Selbstbewusstsein den benötigten Gestaltungsraum und die Rechte zur Umsetzung ihrer Ideen.
Das klingt sehr selbstbewusst…
Doris Weßels: Ja. Diese jungen Leute wissen um die Bedeutung von Weiterbildung und wählen ihren Arbeitgeber auch gezielt nach dessen Qualifizierungsangeboten aus. Aber noch wichtiger sind Sinnstiftung und die Balance von Beruf und Familie.
Also müssen sich auch Arbeitgeber und Führungskräfte modernisieren. In einer sich immer stärker vernetzenden Umwelt versagen klassische Führungs- und Qualifizierungsmethoden. Welche Folgen hat diese Entwicklung?
Doris Weßels: Die Antwort ist relativ einfach: Wir benötigen einen neuen Typus von Manager. Ich habe hierfür als Weiterentwicklung des »T-Shaped Managers« den Begriff des »X-Shaped Managers« geprägt. Das »X« steht symbolhaft für die Bereitschaft und Fähigkeit zum vernetzten Denken und Handeln. Diesem Managertyp gelingt der Aufbau vertrauensbildender Strukturen. Ihn zeichnen seine »cross«-disziplinäre Offenheit und seine Affinität für Innovationen aus. In der Führungsrolle agiert er wie ein Coach und Impulsgeber, der seinen Mitarbeitern genügend Raum für deren Entwicklung lässt.
Dieser neue Management-Typ prägt dann auch die Organisation. Sie verwenden hier die Begriffe »fluide Organisation« und »fluide Projektnetzwerke«? Was genau versteht man darunter?
Doris Weßels: Den Begriff der »fluiden Organisation« habe ich der Dissertation von Weber aus dem Jahr 1996 entnommen. Es handelt sich um eine Organisation, der es gelingt, sich in ihrem »Fluss der Veränderung« weitgehend synchron zu ihrem veränderten Umfeld zu bewegen. Derartige Organisationen verstehen sich selbst als Knotenpunkt in ihrem breit gefächerten »fluiden« Netzwerk, das durch Projekte verbunden ist. Sie interagieren bedarfsgerecht mit unterschiedlichsten Partnern und Organisationen.
Über Doris Weßels
Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel. Sie studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik und promovierte am Institut für Finanzwirtschaft und Investition der Universität Oldenburg. In den nachfolgenden zwölf Berufsjahren war sie in
verschiedenen Fach- und Führungspositionen in den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Telekommunikation und Banken tätig. Ihre thematischen Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Themenfeldern Projekt-, Wissens-, Informations- und Innovationsmanagement. Darüber hinaus ist sie Gründerin und Leiterin der GPM-Regionalgruppe in Schleswig-Holstein. Im GPM BLOG berichtet sie über die Schnittstelle „Projektmanagement in Wissenschaft und Wirtschaft“ – mit dem Fokus auf Arbeits- und Organisationsformen der Zukunft. Sie ist Herausgeberin des Buches „Zukunft der Wissens- und Projektarbeit“.
Zukunft der Wissens- und Projektarbeit Neue Organisationsformen in vernetzten Welten
Hrsg.: Doris Weßels
Hardcover+ digital, 289 Seiten
mit zahlreichen Abbildungen
ISBN 978-3-86329-620-9
Preis EUR 49,00 (inkl. MwSt. und Versandkosten)
Symposion Publishing 2014
www.symposion.de